Ich möchte heute ein Buch empfehlen, dessen Lektüre ich kürzlich beendet habe, nämlich The Circle von Dave Eggers. Das Buch ist extrem kurzweilig zu lesen.
Die Handlung ist schnell erklärt: Frau gerät an Sekte und durchlebt die dabei üblichen Dinge wie soziale Isolation, Indoktrination und Erweckungsveranstaltung. Sie wird dann Botschafterin der Sekte und richtet die Menschen, die sie privat geliebt haben, zugrunde. Am Ende ist einer tot, einer im Koma, einer gebrochen, zwei vertrieben, und sie selbst blind, fanatisiert und ohne Spur von Einsicht.
Dennoch bleibt die Protagonistin an jeder Stelle sympathisch. Ihre Empfindungen und getroffenen Entscheidungen sind durchweg nachvollziehbar. Auch und insbesondere wie ihre zwischenzeitlichen Selbsterkenntnisse doch immer wieder kippen, bis sie sich am Ende ganz verliert.
Die Sekte ist im Buch als Firma organisiert, die sich mit ihrem Produktgeflecht dem Umbau der heutigen Gesellschaft in eine Post-Privacy-Gesellschaft verschrieben hat, und das Buch beschreibt die Schwelle zur Entstehung einer wirtschaftlichen und politischen Machtzentrale, der auch Menschen jenseits der religiösen Eiferei hilflos ausgeliefert sind.
Das spannende an dem Buch ist, dass einen nahezu jeder Satz an Dinge erinnert, die wir in der Realität längst haben. Das Buch ist also nicht bloß gute “Science Fiction” in dem Sinne, dass es mittels eines in der Zukunft angesiedelten Szenarios die Gegenwart thematisiert, sondern es ist eigentlich direkt eine Beschreibung der Gegenwart mit ein paar minimal-fiktiven Elementen.
Angenehm ist auch, dass das Buch keine eindeutige triviale Botschaft transportiert, sondern — so würde ich vermuten — jedem Leser etwas anderes sagt. Es ist daher nicht nur extrem kurzweilig, sondern auch äußerst anregend zu lesen, was dazu führt, dass man nachhaltig etwas für sich mitnimmt.
Ob ds Buch auch literarisch ein großer Wurf ist, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich keine Ahnung von Literatur habe. Das Englisch ist jedenfalls extrem einfach zu lesen und macht als solches nicht so viel Spaß wie bei manch anderen Büchern. Dennoch möchte ich das Buch weiterempfehlen. Daumen hoch.
Nicht weiterempfehlen möchte ich hingegen das Buch Reamde von Neal Stephenson, das ich zuvor gelesen hatte. Es ist mehr als doppelt so “dick” wie The Circle (laut den hier verlinkten Goodreads-Seiten mit 1055 gegenüber 504 Kindle-normierten “pages”), aber es gibt dennoch kein Thema. Der Plot ist eine haarsträubende Räuberpistole, deren Erzählwert sich mir nicht erschloss. Erwähnenswert finde ich das Buch nur, weil mich der Schreibstil so begeistert hat. Textuell empfand ich das Buch als einen unendlichen Genuss — wenn auch wegen des vokabelreichen Englischs manchmal zugleich als Qual. Auch inhaltlich war mir die endlose Ausschmückung der diversen Hintergründe oft eine wahre Freude. Bedauerlich ist nur, dass dann stets alles irgendwann versandet war, weil es nicht zur trivialen Handung beitrug.
Ich bereue nicht, dieses Buch gelesen zu haben, und ich würde es auch wieder tun. Dennoch ist es am Ende enttäuschend, weil sich seine wunderbaren Details nicht zu einem großen Ganzen zusammenfügen. Hier also Daumen runter.