Vor gut 8 Monaten berichtete ich hier im Blog relativ ausführlich über Foursquare, das mich seit gut vier Jahren immer mal wieder beschäftigt. Ich begann mit der Historie meiner persönlichen Einstellung dazu, beschrieb dann in Kurzform, was Foursquare überhaupt ist und schlug schließlich den Bogen zurück zur Gegenwart meiner eigenen Haltung zu einem solchen Dienst.
Die Beschreibung, was Foursquare ist, war in dem Beitrag relativ unstrukturiert (eine Aufzählung mit 11 Bullets und jeweils ein paar Sätzen dahinter) und ohne allzu viele konzeptuelle Abstraktionen, was aber Absicht war, da sie nicht im Kernfokus des Artikels lag. Die ersten drei Bullets zeigten den Game-Charakter auf, also das Sammeln von Points, Mayorships und Badges, dann folgten andere Aspekte wie Anlage, Bewertung und Bebilderung von Locations, und schließlich beschrieb ich noch die Verknüpfung mit anderen Apps am Beispiel Instagram, sowie die Möglichkeiten zur Vernetzung und Kommunikation bei Usern und Pages innerhalb von Foursquare.
Ich greife diesen Blogbeitrag hier jetzt nochmal auf, weil ich es spannend finde, wie sich die Dinge bei Foursquare weiter zu verändern beginnen. So habe ich z.B. kürzlich bemerkt, dass sich die in meinem Beitrag beschriebene Kopplung zwischen Instagram und Foursquare reduziert hat. Bild 1 zeigt, wie ich (vor etwa zwei Wochen) mit Instagram einem Ort (hier „Bremen Town Hall“) ein Bild hinzugefügt habe (das umrahmte links oben). Die Ortsdatenbank innerhalb von Instagram war anders als früher nicht mehr die von Foursquare, sondern eine andere. Und es wurde auch nicht mehr automatisch nach Foursquare geteilt, sondern ich musste das Teilen nach Foursquare explizit auswählen. Und das Wichtigste: Der Ort, an den ich mich dadurch dann aus der Instagram-App heraus bei Foursquare eincheckte, war nicht der in Instagram ausgewählte, sondern ein separat davon von der Foursquare-App aus der eigenen Datenbank ohne Rückfrage oder Korrekturmöglichkeit automatisch selektierter. Bild 2 zeigt die Folge davon, nämlich dass meine Instagram-Bildbeschriftung „Kunstwerkermarkt“ bei Foursquare nicht wie gewünscht dem Rathaus zugeordnet wurde. Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich über die Foursquare-App bei Foursquare eingecheckt und nicht über die Instagram-App.
Nachvollziehbar war diese Änderung im Zusammenspiel der Apps für mich sofort, denn Instagram wurde ja von Facebook gekauft, nachdem Facebook zuvor den Foursquare-Konkurrenten Gowalla gekauft (und geschlossen) hatte, um dessen Ortsdatenbank zu übernehmen. Klar, dass Instagram dann von der Ortsdatenbank des Konkurrenten auf die nun eigene (Facebook/Gowalla) umgestellt wird, zumal Foursquare jetzt für eine Geldspritze auch noch eine Ortsdaten-Partnerschaft mit Microsoft eingegangen ist. Die Konsequenz ist jetzt natürlich, dass ich Orte in Instagram nun nicht mehr benutze, da ich meine Locations eben in Foursquare verwalte und nicht in Facebook. Doof ist das für mich aber insbesondere deshalb, weil ich bisher für nur eine einzige Aktion unterschiedliches Feedback bekam: Für das Bild auf Instagram und für das Check-In auf Foursquare. Nun müsste ich zwei Aktionen davon machen, was mir die ganze Sache aber nicht wert ist.
Es ist aber nicht nur die Trennung bei den Ortsdatenbanken, die Konsequenzen hat, sondern es ist auch ein allgemeiner Trend, der gerade um sich greift: Das Aufsplitten von Apps nach Kernfokus der User Experience. So wie Facebook aus einer App drei macht (Messenger, Newsreader, Sharing), obwohl der Reiz von Facebook ja gerade in dem Mix dieser drei Zielstellungen bestand, will auch Foursquare den gleichen Weg gehen: Eine neue App namens Swarm für „Wer ist wo und wo bin ich?“, also mit Fokus auf den Kontakten, sowie dem Umbau der Haupt-App mit dem bleibenden Namen Foursquare für „Was gibt es so und wie attraktiv ist das?“ mit dem Fokus auf Locations. Wie das mal aussehen soll, kann man als nicht-eingeweihter Endanwender derzeit noch nicht abschätzen, da die Foursquare-App erst im Sommer umgebaut werden soll. Eine erste Version von Swarm gibt es allerdings seit Ende letzter Woche. Ich war da gerade in der Pampa (mobiles wie stationäres Internet nur ein paar Kilobit/s und auch keine Zivilisation in räumlicher Nähe), habe es aber trotzdem installiert und ausprobiert. Bild 3 zeigt das orangefarbene Design mit drei Checkins vor dem Frühstück, sowie einen Kaffee-Sticker, den ich zur Stimmungsanzeige in Swarm setzen konnte, und in Textform meine ersten Irritationen (ich war noch nicht ganz wach). Bild 4 zeigt einen Plan, den ich heute gemacht habe. Leider habe ich vergessen, dann auch da hin zu gehen, weil ich diesen Blogeintrag geschrieben habe. (Eigentlich ein unhaltbarer Zustand, dass ich über die Beschäftigung mit einem sozialen Netzwerk das soziale Netzwerken vernachlässige.)
Ein paar weitere erste Beobachtungen wieder in knapper Form mit Bullets:
- Die Foursquare-App ist wie gesagt (noch) unverändert geblieben, jedoch kam zeitgleich mit der neuen App Swarm ein Update. Installiert man dies vor Swarm, muss man sich bei Swarm nicht anmelden. Ansonsten muss man bei Swarm seine Foursquare-Anmeldedaten manuell eingeben. (Ich hab’s bei Handy und Tablet einmal so rum und einmal anders rum gemacht.)
- Man kann Kontakte in Swarm nach 5 Entfernungsstufen gruppiert anzeigen lassen. Kontakte erscheinen hier aber nur, wenn der letzte Checkin nur kurze Zeit zurückliegt oder wenn sie die kontinuierliche (Checkin-lose) Location-Meldung freigegeben haben. Dies ist mit Swarm möglich und kann sehr präsent aus-/eingeschaltet werden (Ortsbalken grau siehe Bild 5 unten — oder orange siehe Bild 6 unten). Die Schalterposition überträgt sich allerdings auf alle Geräte, ist also eine Eigenschaft des Accounts. Wo ich dann angeblich bin, wenn mein Handy und mein Tablet an sehr verschiedenen Orten unterwegs sind (was der Normalfall ist), vermag ich mir nicht auszudenken.
- Die Checkins der Kontakte werden bei Swarm chronologisch alle angezeigt (siehe ebenfalls Bild 5), bei Foursquare weiterhin nur chronologisch sortiert das jeweils Checkin jedes Kontakts.
- Badges sieht man in Swarm nicht. Foursquare will im Sommer einen „spiritual successor“ von Badges in Form von Trophy Cases einführen.
- Eine schwerwiegende Änderung, die auch die alte Foursquare-App betrifft: Mayorships auf einer Location sind in Swarm eine Eigenschaft des Betrachters. Als Bürgermeister wird einem immer derjenige der eigenen Kontakte angezeigt, der zuletzt bei der Location gewesen ist. Locations selber kennen das Mayor-Konzept nicht mehr. In Foursquare sind die alten Mayorships zwar noch am Ort sichtbar, sind aber eingefroren. Man kann dort nirgends mehr Mayor werden und dort, wo man es schon ist, nicht mehr verdrängt werden. Und das gilt auch, wenn man Swarm gar nicht installiert.
- Insights als Tidbits und Streaks als Nuggets bleiben (und ich erkläre das jetzt nicht). Lists (Orte, die man besuchen möchte) bleiben allein bei Foursquare, in Swarm gibt es Pläne (Dinge, die man tun möchte) — siehe Bild 4 oben.
- In alten Foursquare-Checkins kann man in Swarm nun geschmeidiger suchen. Checkins teilen (z.B. twittern) kann man in Swarm noch nicht.
- Über Checkins seiner Kontakte kann man sich von der App nun aktiv informieren lassen, und man kann das pro Kontakte einzeln konfigurieren.
Zwischenfazit: Swarm ist näher an den Kontakten dran (wer ist JETZT gerade wo und hat welche Eincheck-Historie), aber weiter vom Spiel-Charakter und Location-Zentrismus von Foursquare entfernt. Da die Foursquare-App ihre Veränderungen noch nicht erhalten hat und sich Swarm auch noch unfertig anfühlt (wo ist das Teilen in andere Netze?), ist Foursquare/Swarm zusammen derzeit funktional irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes mehr, sowie die Aufspaltung in zwei Apps in der jetzigen Form ziemlich sinnfrei. Weitere Veränderungen sind in beiden Apps aber zu erwarten, wobei diese die Ausrichtung des Ganzen wahrscheinlich noch weiter massiv verändern werden. Hintergrund ist vermutlich das finanzielle Engagement von Microsoft, das ökonomisch wohl dringend nötig war. Ich erinnere nur daran, dass bis vor Kurzem die Webseite von Foursquare monatelang mit der Meldung „Sorry! We’re having technical difficulties.“ nicht verfügbar war (siehe mein Bild aus dem Blogeintrag über Windows 8.1), weil das finanzielle Aufrechterhalten des Dienstes von dieser am wenigsten abhing.
Das absolut Untragbarste aber zeigt das Bild 6 (oben) ganz rechts unten: „Conny“ ist „GANZ WEIT WEG“. Die schönste App ist nicht zu gebrauchen, wenn sie solche Inhalte darstellen muss. Ich konnte Swarm aber immerhin sagen, mich bitte über Checkins von Conny aktiv zu informieren. In ein paar Stunden sagt mir dann nicht nur Swarm über Conny hoffentlich endlich wieder „GENAU HIER“.
Direkt nach dem Fertigstellen dieses Blogeintrags über Swarm Mitte Mai hatte ich Swarm übrigens deinstalliert und auch Foursquare kaum noch verwendet. Als es im Juli dann so weit war, dass man in Foursquare ohne Swarm nicht mehr einchecken konnte, hatte ich es probeweise nochmal wieder installiert. Man wird aus Foursquare nun nach Swarm weitergeleitet, aber sonst hat sich nichts geändert. Nun überlege ich, zusammen mit Swarm auch Foursquare zu deinstallieren, weil nun beide Apps endgültig sinnlos geworden sind. Die Frage ist, was nun? Woanders einchecken?
http://nero.is/checkin-dienste-whats-next/ stellt die Frage, was denn das nächste Checkin-Ding sein könnte: „Checkin Dienste, what’s next?“. U.a. heißt es dort: „Oder ist es Zeit für einen neuen Checkin-Dienst, welcher vielleicht ähnlich wie Aka-Aki, allerdings dann über iBeacons, Checkins automatisiert? Oder ist die Zeit reif für eine POS-Software die es nur dem Laden ermöglicht zu wissen wer sich mit seinem Telefon/iBeacon im Laden befindet, der User aber nicht mehr weiß wo seine Freunde gerade sind und was sie von dem Laden halten, was sie dort gegessen haben oder empfehlen würden?“.
Interessant finde ich den Point-of-Sale-Fokus jenes Artikels, also Checkin-Software als Schnittstelle zwischen Location-Betreibern und deren Kunden zu verstehen. Gerade Foursquare hatte ich überhaupt nicht so wahrgenommen. Hier waren fast alle Locations durch die User angelegt, und die einzige Motivation es jenseits des Spiele-Charakters zu nutzen (Dinge sammeln), war es Menschen kennenzulernen, die an den selben Orten verkehren. Es war eine Augmented Reality der Netzgemeinde. Der Gedanke, dass ein Ladenbetreiber mitliest und Gutscheine o.ä. androht, erscheint mir geradezu gruselig.
Ja, wo meine Freunde gerade sind, will ich nicht wissen. Und auch was sie von der Location halten, an der ich gerade bin, will ich nicht wissen. Ich will aber wissen, wer (von allen Usern überhaupt, also nicht nur von meinen Freunden) jetzt und auch wer oft dort ist, wo ich gerade bin. Vor allen Dingen aber will ich aber NICHT, dass ein Ladenbetreiber mehr sieht als ich oder irgendein User. Am liebsten wäre mir, alle Informationen wären für Freunde, fremde User und Nicht-User gleichermaßen öffentlich. Alles, was nicht ganz öffentlich ist, ist für mich eigentlich inakzeptabel.
So eine Community, also eine ganz öffentliche User-generierte augmented Reality, das ist es, was ich mir wünsche.
Nun ist seit einigen Tagen auch das neue Foursquare da, erkennbar an dem roten F. Der Fokus liegt jetzt auf den Kategorien und Bewertungen, was die App vollkommen nutzlos macht, denn die durch die alte App von den Usern befüllte Datenbank gibt die dafür erforderlichen Informationen prinzipbedingt gar nicht her. Egal, ob aktive Suche oder Push-Benachrichtigungen — es kommt nur sinnloser Quatsch. Auch die Kontakte wurden von Friends in Follower/Following aufgespalten und nun als eine Art zusätzlicher Interessen-Indikator verwendet. Wenn man in Swarm jemanden hinzufügt, passiert dort nichts (weil man dort kaum noch Kontaktbestätigungen bekommt, da Swarm nur noch der uninteressanten Freundessuche dient), jedoch kriegt man in Foursquare die Meldung, dass man der Person jetzt folgt, weil man sich in Swarm mit ihr „angefreundet“ habe (was nicht einmal stimmt).
Damit ist der Foursquare-Dienst defacto eingestellt. In meinem Bekanntenkreis werden nicht nur munter beide Apps deinstalliert, sondern es wird sogar das Konto komplett gelöscht. Auch ich verabschiede mich von den Apps und damit jeglichen Checkins. Es bringt einfach so gar keinen Spaß und/oder Nutzen jeglicher Art mehr.
In der Voreinstellung der App wird übrigens ein lückenloses Bewegungsprofil erstellt (kann man abstellen) und an Dritte verkauft (kann man auch abstellen). Aber das ist wieder ein anderes Thema.