Feiertag, Brückentag, Wochenende. Vier Tage schönes Wetter.
An Tag 1 war ich mit meiner Spiegelreflex-Kamera durch die Bremer Innenstadt geschlendert und habe fotografiert. Anschließend ein Spaziergang am Weserdeich. An Tag 2 war ich nach Aachen gefahren, habe mir den Dom angeguckt und leckeres italienisches Eis in römischem Ambiente gegessen. Tag 3 war dann die großartige Gartenparty in Rotenburg/Wümme. Tag 4 habe ich meine beiden Katzen gestreichelt, auf der Sonnenloggia gesessen und den 3. Harry Potter ausgelesen. Auf Facebook sah ich im Ticker, wie ein nach Australien ausgewanderter Freund den Film „X-Men: Days of Future Past“ mit 8 von 10 Punkten bewertet hat. Den will ich auch noch sehen. Zuletzt hatten wir bei Goodreads kommuniziert, in Kommentaren an einem Buch, das wir beide gelesen hatten. Toll, dass man über’s Internet in Kontakt bleiben kann.
Was das Großartigste an Bremen, Aachen und Rotenburg an diesen vier freien Tagen war, waren die Menschen, mit denen ich dort war. Und die Menschen, denen ich dort begegnet bin. Was hatten wir für Spaß! Auf der Gartenparty wurde mir einmal ein Käsehäppchen abgeluchst. „Hast Du *mir* das mitgebracht?“ wurde ich gefragt. „Ja“, sagte ich und gab es weiter, während ich noch „Geben ist ja seliger als nehmen.“ ergänzte. „Es gibt auch ‚Nehmen ist seliger als geben‘.“ wirft jemand ein. „Das ist dann der Spruch eines Hartz-4-Empfängers“ kontert ein anderer. Ich verstehe die Bemerkung erst gar nicht. Ist aber auch egal, denn mir geht es gut. In der Zeitung lese ich „Um an Alkohol zu kommen: Mainzer Hartz-IV-Empfänger schüttet 60 Flaschen Mineralwasser in den Gully“. Pfiffige Idee: Mit dem 50-Euro-Lebensmittelgutschein Wasser kaufen, draußen in den Gulli kippen, wieder reingehen in den Laden und von dem Flaschenpfand Alkohol holen. Alkohol ist toll. Das gab’s auf der Party auch.
In den Kommentaren an dem Zeitungsartikel steht was von „Sozialschmarotzer“ und „den Staat ausnehmen“ und es wird geraten, „einen Verein zur Unterstützung der Sucht und Faulheit zu gründen“. Die Leute zerreißen sich leidenschaftlich die Fingerkuppen, um ihre Verachtung von und den Ekel vor Hartz-4-Empfängern in Worte zu fassen. Ich finde es schön, dass sich die Leute so einbringen. Das macht unsere Gesellschaft ja erst richtig lebens- und liebenswert. Der Gedanke an das Böse in Hartz-4-Empfängern ist mir noch neu und war mir auch erst fremd, aber recht haben sie ja, denn Hartz-4-Empfänger nehmen auch mir ständig was weg. Mir geht es zwar gut und denen nicht, aber es ist ja dennoch mein in Form von Steuern mir geraubtes Geld, das ihnen verwehrt wird aber für deren Verwaltung drauf geht. Das macht sie eindeutig verachtenswert. Und wenn es die Leute ja alle sagen und es sogar in der Zeitung steht… dann sind Hartz-4-Empfänger wohl wirklich schlechte Menschen in einer ansonsten guten Welt.
Ich nehme mir also ganz fest vor, in Kürze auch mal was gegen Hartz-4-Empfänger zu bloggen. Schließlich möchte auch ich meinen Beitrag zu einer besseren Welt beisteuern. Jetzt muss ich aber erstmal den ausklingenden Tag genießen. Auf RTL kommt nachher noch eine Informationssendung über die ungerechte Bevorteilung von Hartz-4-Empfängern zu Lasten von uns allen. (Ich muss jetzt nur noch herausfinden, wo man dieses RTL empfangen kann. Viele Menschen kennen das schon und gucken das täglich!) Ich bin jetzt total angefixt, das Thema Hartz-4-Empfänger weiter zu verfolgen. Endlich sind die Schuldigen erkannt! Ich frage mich nur, wieso mir das nicht schon eher klar geworden war. Aber vielleicht gehe ich einfach nur nicht oft genug auf Gartenparties und/oder bilde mich zu wenig mit seriösen Medien wie Zeitung und Fernsehen…