Eigentlich ergibt der Begriff „Mobiles Internet“ keinen Sinn, so wie auch WLANs als solche keinen Sinn ergeben, denn das Internet sollte eigentlich immer und überall ausreichend vorhanden, ausreichend schnell und mit ausreichend Datenvolumen bestückt sein, so dass man keine WLANs benötigt und auch keinen Begriff „Mobiles Internet“. Sowas gehört einfach zur Infrastruktur, die man erwarten kann — wie Luft zum Atmen und sauberes Wasser. Also noch mehr als Kanalisation oder Straßen.
Aber schon das Thema „Internet in Deutschland“ an sich (also auch ohne „mobil“) ist leider eine Dauertragödie. Schon die Infrastruktur, um sich ein brauchbares WLAN zu bauen — wie gesagt: schlimm genug, dass man das überhaupt tun muss — ist nur hier und da mal vorhanden. Und dort, wo es sie gibt — also wo die Zulieferung und der Abtransport der Daten angemessen möglich ist — gibt es inzwischen andere Probleme: Die Funktechnologie der WLANs ist dermaßen am Ende, dass man das Reichweitenproblem inzwischen auch mit Repeatern kaum noch bewältigt kriegt.
Was an all dem besonders nervig ist, das ist die Perspektive: Denn es soll in Deutschland im Vergleich alles noch schlechter werden. So schrieb Heise vorgestern „Deutschland droht nach Ansicht der EU-Rechnungsprüfer beim Internet-Ausbau in den kommenden Jahren den Anschluss zu verlieren. Das ergab ein Bericht des Europäischen Rechnungshofs, der am Dienstag in Brüssel vorgestellt wurde. Das EU-weite Ziel, bis 2025 flächendeckend Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit/s zu ermöglichen, sei in Deutschland mit der aktuell genutzten Technik ‚wahrscheinlich nicht zu verwirklichen‘, hieß es.“.
Man selber merkt das Drama gar nicht unbedingt, weil man es ja nicht anders kennt. Man riecht es nur, wenn man in den Raum reingeht, in dem es stinkt, nicht wenn man darin lebt. Schlimm wird es aber, wenn man mal draußen war. Und genau das war der Anlass für meinen Tweet „Kaum bin ich wieder in Deutschland ist das mobile Internet weg, und ich werde per Brief gefragt, ob ich weiterhin E-Mails empfangen mag.“. Diese thematische Vermengung von der deutschen Internet-Ausbau-Katastrophe und dem deutschen Umgang mit europäischen Verordnungs-Katastrophen (hier der DSGVO) in nur einem Tweet versuchte auch, das für die meisten Dinge zugrundeliegende Problem zu erklären: Deutschland.
Ich weiß nicht, welcher Schock beim Wiedereintritt in den deutschen Luftraum größer für mich war: Die unerträglichen deutschen Autobahnen mit ihrer Übervollheit und den rasenden Affen am Steuer oder der zwangsweise Rauswurf aus dem Internet und der Rückfall in die Steinzeit des Offline-Lebens wie man es nur noch in Deutschland kennt und sofort vergisst, wenn man draußen sein durfte. Ich habe beide Probleme nach jeder Rückkehr aus Dänemark und nach jeder Rückkehr aus Frankreich, aber was speziell das Internet-Problem angeht, habe ich auch ein bisschen Mitschuld: Mein Handy-Tarif (und über Handy-Tethering läuft auch die iPad-Versorgung) hat nämlich kein LTE.
Also an die eigene Nase gefasst: Keine LTE-Netze (4G) im Tarif bedeutet, dass das Handy auf ein UMTS/HSPDA-Netz (3G) angewiesen ist. Diese Netze aber wurden in Deutschland im vergangenen Jahr zu großen Teilen abgebaut, d.h. in immer mehr Gegenden fiel die verfügbare Netzanbindung auf GSM/EDGE (2G) zurück, was der Geschwindigkeit wegen mit „kein Internet“ gleichzusetzen ist. Wer auf LTE verzichtet, hat sich also entschieden, weitestgehend auf mobiles Internet zu verzichten. Dann darf man aber auch nicht meckern, dass man keines hat.
René Hesse z.B. meckert nicht, sondern schrieb gestern bei mobiflip „Ich persönlich kann für kleines Geld zwar noch ohne Zugang zum LTE-Netz leben, aber es wird endlich Zeit für ein Ende der Tarife ohne Zugang zum LTE-Netz, egal bei welchem Provider oder Wiederverkäufer.“. Seine Begründung: „wofür das LTE-Netz eigentlich gut ist: Bessere Abdeckung, mehr Puffer bei vielen Nutzern und niedrigere Reaktionszeiten“ und dass „lange etwas unter den Teppich gekehrt wurde: Kunden ohne LTE-Zugang bzw. LTE-Option sind Kunden zweiter Klasse“. Recht hat er. Aber LTE hat er nicht.
Nun denn, seit der letzten Rückkehr aus Frankreich, wo ich mich auch wieder daran gewöhnt hatte, immer und überall schnelles Internet zu haben, kann nun „ich persönlich“ in Deutschland nicht mehr „ohne Zugang zum LTE-Netz leben“, und ich kann auch nicht mehr auf „ein Ende der Tarife ohne Zugang zum LTE-Netz“ warten, sondern muss mich halt vom „für kleines Geld“ verabschieden. Bei meinem bisherigen Anbieter (Telekom-Netz, monatlich kündbar, EU-Roaming) zahle ich jetzt erstmal mehr als das Doppelte, nur um auch LTE zu haben, und es wird sich zeigen, ob ich den Anbieter für mehr Datenvolumen noch wechseln muss. Aber ein erster Blick hat mir bereits gezeigt: In Deutschland sieht es mit den angebotenen Mobil-Tarifen sehr sehr düster aus. Angemessene Datenvolumen bei brauchbarer Netzabdeckung sind einfach unbezahlbar. Das hiesige Angebot ist im europäischen Vergleich extrem armselig.
Sascha Lobo schrieb gestern in seiner SPON-Kolumne „Die deutsche Breitband-Infrastruktur ist der Berliner Flughafen des Internets.“. Wo wird Deutschland erst stehen, wenn im Rest von Europa auch das Mobile Internet breitbandig wird?