Threads von Meta ist eine merkwürdige Plattform. Leute entfernen da zuhauf ihre eigenen Follower, weil sie sich durch Follower generell belästigt und gestalkt fühlen. Als ob es sie etwas anginge, wer ihnen folgt. Es ist doch eh alles öffentlich, und mit einem Follower ist man ja auch nicht irgendwie verbandelt. Leute löschen da auch massiv ihre eigenen Posts, wenn ihnen eine Antwort nicht gefällt. Als ob die Replik bei ihnen selbst geschrieben worden wäre und nicht bloß ein eigenständiger Post mit einem gesetzten Bezug ist. Und Leute nennen da fast immer auch einzelne Posts „Thread“, obwohl „Threads“ ja ein etablierter Begriff für verknüpfte Stränge von Posts ist.
Kurzum: Die Leute bei Threads sind offenbar überwiegend nicht bei Twitter sozialisiert, sondern eher bei Instagram oder Facebook. Im Thread https://www.threads.net/@kristenzeta/post/C53HkHcSQan gibt es z.B. eine aktuelle Diskussion um Sinn und Unsinn von Quote Posts. Diese wird bei Mastodon seit 2016 geführt, aber nicht so absurd und so heftig. Und vor allen Dingen nicht so naiv. Das ist wirklich lesenswert. Faszinierend ist dabei, wie wenige Leute bei Threads verstanden haben, was ein Quote Post eigentlich ist, und was nicht. Also wieviel Threads als Plattform eigentlich die Internalisierung von Twitter-Konzepten voraussetzt und wie wenig diese in der Realität gegeben ist.
Bereits in https://www.threads.net/@nnzgram/post/C3Fyl3BNEfp antwortete ich mal jemandem*, dier dachte, dass das Löschen eines Beitrags auch die Kommentare löscht, dies: „Instagram hat ein Post-and-Comment-Modell, d.h. Kommentare reichern einen Post da nur an. Der Poster hat das Hausrecht. Threads hat (wie Bluesky, Mastodon, usw.) ein Post-and-Reply-Modell, d.h. Kommentare gibt es nicht. Ein Post kann an andere Posts anknüpfen (als Reply oder Quote), steht aber niemals unter fremdem Hausrecht. Das war auch der Grund, warum Threads eine separate App wurde. Die Modelle waren zu unterschiedlich. Es gibt keine ‚Hauptposts‘, und Du kannst niemals fremde Posts löschen.“. Und das ist nur eines vieler Beispiele dafür, dass auch die Reply-Funktion bei Threads von den Leuten dort kaum verstanden wird. Bei Twitter waren „Drükos“ (Quote Posts) und „Drukos“ (Replys) gängige Begriffe und Konzepte.
Eine Bemerkung zum Stichwort Hausrecht: Was man bei Threads dennoch machen kann, ist eine Verknüpfung an einem fremden Post löschen. Oder zumindest die Darstellung einer Verknüpfung bei anderen ausblenden. Es gibt eine „für alle verbergen“-Funktion, die deshalb manchmal ein bisschen toxisch sein kann, aber von den Leuten bei Threads heiß geliebt wird. Klar macht die auch Sinn, wenn z.B. Influencer Trolle bekämpfen müssen, die auf deren Reichweite reiten wollen, aber sie wird bei Threads halt von jedem gerne genutzt, dem eine Antwort nicht gefällt. Dazu kommt noch die seltsame Thread-Darstellung bei Threads, und der aggressive „For you“-Algorithmus (es gibt nur zwei Algorithmen: den Interest-Graph-basierten „For you“ und den Social-Graph-basierten „Following“, den ich aber noch nie verwendet habe), so dass die User auch von der Plattform geradezu getrieben werden, zu dieser Funktion zu greifen.
Aber nicht nur die Leute bei Threads sind komisch. Auch die Technik funktioniert nicht immer nachvollziehbar. An meinem Post https://www.threads.net/@nnzgram/post/C534VN1LY0d steht z.B. „1 reply“, aber es wird keiner angezeigt. Mit https://www.threads.net/@jana.zx6r/post/C53-A58CyBN gibt es aber tatsächlich mindestens einen Reply auf meinen Post. Vermutlich ist dieser mit „1 reply“ gemeint. Von dort aus kommt man über die Verbindung auch zurück zu meinem Post, aber dann nicht wieder hin zu diesem Reply darauf. In die andere Richtung gibt es keine Verbindung. Es steht an meinem Post zwar „1 reply“, aber eben kein Reply, obwohl es den ja wirklich gibt. Man kann nur von dem Reply aus den Thread hochnavigieren, aber nicht wieder herunter. So ein o.g. Fall von „für alle verborgen“ ist das aber nicht, wie ich im übernächsten Absatz gleich darstellen werde.
Was aber viel schlimmer ist: Auch in meinen Notifications https://www.threads.net/activity/replies wird dieser Reply nicht angezeigt. Ich komme also auch selber nicht irgendwie anders zu dem Reply auf meinen Post! Und ich hätte auch nie davon erfahren, wenn ich nicht auf Verdacht (weil da „1 reply“ steht) bei der Vorposter:in meines Posts in deren* Replies-Feed https://www.threads.net/@jana.zx6r/replies manuell nach einem Reply auf meinen Post gesucht hätte. Und ich wurde dort nur fündig, weil es zufällig dieselbe Person war. Wenn das nicht so gewesen wäre, hätte ich keine Chance gehabt, den Reply auf meinen Post zu finden.
Mir stellt sich natürlich die Frage, was hier passiert war. Denn wenn ich mir z.B. https://www.threads.net/@franknffphotography/post/C3us87ltj84 anschaue, also einen Beispielpost, bei dem hinter mir ein Thread ist (zwei andere Leute unterhalten sich), dann kann ich nur bei meinem direkten Nachfolgepost ein „Hide for everyone“ auslösen. Bei den weiter hinten geht nur „Hide“. Da ist also niemand, der auf dem o.g. „1 reply“ ein „Hide for everyone“ gemacht haben könnte. Denn dann müsste sich meine Vorposter:in selbst für alle verborgen haben, was ja aber nicht geht. Nur ich hätte das tun können! Habe ich aber nicht. Der Erklärungsversuch, dass vielleicht jemand „Hide for everyone“ gemacht haben könnte, trägt also nicht.
Meine Auflösung ist einfach die folgende überhaupt nicht gewagte These: Vermutlich ist Threads hier einfach kaputt. Dass ausgerechnet die Plattform, die sich „Threads“ nennt (und deren User zur Verwirrung aller auch die einzelnen Posts „Threads“ nennen) keine auch nur ansatzweise brauchbare Threads-Darstellung hat, und diese außerdem auch noch andauernd sichtbar kaputt ist, und man oft Post nicht wiederfindet, oder falsche Verbindungen sieht, habe ich auch bei anderen schon sehr oft gelesen. Eine Weile lang sogar beinahe täglich. Die Software der Plattform ist hier offenbar noch Schrott.
Aber das Merkwürdigere bei Threads sind wie gesagt die Leute. In https://www.threads.net/@nnzgram/post/C5JhRKOt9OR schrieb ich z.B. (mit Beispielbild) „Da bin ich von Bluesky weg, weil das eine diskursuntaugliche monokulturelle Echokammer geworden ist, in der inzwischen jeder jeden sinnlos weggeblockt hat, aber hier auf Threads ist egomanes Blocken irgendwie auch längst normalisiert. Vielleicht sollte ich auch einfach mal wild in der Gegend herumblockieren, um zu sehen, wie sich das anfühlt.“. Habe ich natürlich nicht gemacht (ich habe noch nie irgendwo irgendwen geblockt), aber auch bei Threads reden eben ständig Leute über’s Blocken. Als ob man damit irgendwas verändert. Ein aktuelleres Beispiel ist z.B. https://www.threads.net/@dankennedy_nu/post/C56V67rOTU2.
Dennoch bin ich bei Threads aktuell lieber bei Threads als bei Bluesky, zu dem ich vor einem halben Jahr hier dem Post https://wolkenstich.wordpress.com/2023/10/28/bluesky/ was schrieb. (Damals gab es noch gar kein Threads.) Es ist also nicht alles schlecht an Threads. Im Gegenteil. Aber es ist eben Vieles noch merkwürdig.
Bluesky
Apropos Bluesky. Weil ich oben ein paarmal Bluesky erwähnt habe, schreibe ich da jetzt auch noch was zu: Bluesky benutze ich schon länger überhaupt gar nicht mehr, d.h. vielleicht ist auch Vieles nicht mehr aktuell von dem was jetzt kommt. Aber es kommt jetzt trotzdem, denn das will jetzt einfach auch noch aus mir raus. Meine Hauptgründe, Bluesky aktuell nicht mehr zu benutzen, sind diese:
(1) In der öffentlichen Ansicht meines Bluesky-Profils https://nnz.bsky.social fehlt der „Replies“-Tab. Nur „Posts“ und „Media“ ist sichtbar. Media enthält auch die Replies mit Bildern, aber alle Posts ohne Bilder, die an andere Posts anknüpfen, sind über mein Bluesky-Profil ohne Account nicht einsehbar. Für mich ist das ein absolutes K.O.-Kriterium für die Benutzung von Bluesky. Von einer Microblogging-Site erwarte ich zwingend, dass alle meine Posts ohne Account eingesehen werden können. Der Tab „Replies“ enthält auch die Posts, die nicht an andere anknüpfen (die aus dem Tab „Posts“), also einen Thread beginnen. Dieser Tab müsste verlinkbar sein, so wie z.B. in meinem Mastodon-Profil https://mastodon.social/@nnz/with_replies . Mindestens aber müsste es einen Tab „Replies“ geben, den man anwählen kann. In meinem Threads-Profil ist das z.B. so, und man kann den mit https://www.threads.net/@nnzgram/replies auch verlinken. Auch wenn dort die Posts, die nicht an andere Posts anknüpfen, nicht enthalten sind, und es einen Kombitab nicht gibt. Aber das ist ok. Was Bluesky macht, ist hingegen überhaupt gar nicht akzeptabel. Es ist für Microblogging nicht geeignet, denn die meisten Posts knüpfen ja an andere an, und sie sind für öffentliche Einsicht bestimmt.
(2) Die App ist komplett unbenutzbar. Klicke ich auf eine Link Card, folge dem Link, und kehre dann zurück, resettet sich die App, und man ist ganz woanders. Also so, als ob man die App ganz schließt und sie neu startet. Es gibt auch keine Bookmark-Funktion, mit der man sich als Workaround merken könnte, wo man war. Damit kann man Bluesky auf dem Handy nicht nutzen. Auch wenn man sich zwischendurch z.B. eine Signal-Nachricht anschaut, die man bekommen hat, resettet sich die Bluesky-App bei der Rückkehr. Da ich kaum Doom-Scrolling mache, sondern gerne in Diskussionen tiefer und tiefer hinabsteige, ist jeder solcher Reset für mich eine Katastrophe. So geht das einfach überhaupt gar nicht, zumal ich > 90% auf dem Handy unterwegs bin.
(3) Bei Bluesky kann ein Post nur 300 Zeichen haben. Ich lege mich da verbindlich fest, dass das einfach viel zu wenig ist. Unter 500 Zeichen (Threads, Mastodon) ist komplett nicht akzeptabel. Es führt dazu, dass irgendwann fast nur noch gechattet wird. Und das ist bei Bluesky auch passiert. Die Platform ist komplett zu einem totlangweiligen Chatforum verkommen. Vor dem Hintergrund ist natürlich auch Punkt (1) wieder verständlich, denn Replies bestehen bei Bluesky eben nicht aus wertbeisteuernden Posts mit Verknüpfung, sondern meist aus belanglosem Quatschgerede. Mit Glück ist der initiale Beitrag noch interessant, aber auch in dem wird oft nur ein externer Link geteilt. Und wenn es ein echter Beitrag ist, dann ist der meistens kopiert von Mastodon oder Threads, wo die Leute ihre primären Accounts haben. Originale Beiträge gibt es bei Bluesky kaum noch.
(4) Für mich am Schlimmsten neben (1) ist, dass man für einzelne User die Übernahme von Reposts nicht abschalten kann. Man kann nur pauschal alle Reposts abschalten. Dadurch kann man Leuten nicht folgen, die „für Reichweite reposten“ statt liken. Ich schrieb dazu in dem o.g. Link von vor einem halben Jahr schon ausführlich. („Auf Bluesky ist häufiges Re-Posten asoziales Verhalten.“) Und leider ist es schlimmer geworden. Wozu gibt es auf Likes basierende Algorithmen, wenn die Leute die Timelines mit ihren Reposts verseuchen? Bei Mastodon fangen die konfigurierbaren Apps das auf. Aber bei Bluesky taugt nur die offizielle App überhaupt etwas. Und die ist aktuell einfach nicht gut genug.
(5) Auch die Blockiererei ist bei Bluesky extrem übel. Wenn „A blockt B“ oder „B blockt A“ gilt, dann ist in der Ansicht die Verbindung zwischen allen Posts von A und B in beiden Richtungen (!) für alle gekappt. Und da bei Bluesky von den Leuten wie nirgends sonst auf Monokultur zurechtgeblockt wird, führt das dazu, dass so gut wie alle Threads komplett zerstückelt sind. Man suche nur mal nach irgend einem Thema. Man findet immer nur Thread-Fragmente, die nach oben hin in der Luft hängen. Dieses „Selbstmoderations“-Konzept von Bluesky ist aus meiner Sicht komplett gescheitert.
(6) Bluesky war viel zu lange in der Invite-only-Phase, so dass ein extremer Mix von Groß- und Kleinaccounts entstanden ist, der sich nicht mehr normalisieren kann. Dadurch funktionieren die angebotenen Algorithmen nicht mehr gut. Zumindest die mir bekannten Feeds sind im Laufe der Zeit alle Mist geworden. Und überhaupt: Was soll man mit zigtausenden von Feeds? Dann lieber zwei schlechte wie bei Threads. Ich halte mittlerweile sämtliche Ansätze von Bluesky, die es im Vergleich zu Mastodon oder Threads hat, für gescheitert. Das sind zwar alles ganz nette Ideen, aber die Umsetzung ist einfach nicht gut genug. Man sieht das auch daran, dass sich Neuankömmlinge bei Bluesky sehr schnell wieder abwenden.
War schön mit Euch. Bis dann denn. Vielleicht irgendwann mal wieder.
Fediverse
Was also tun? Zurück zu Mastodon? Dazu ein Hinweis auf Michael Seemanns Newsletter „Krasse Links 11“: https://mspr0.de/krasse-links-no-11/ . Er schildert dort den häufigen „Kontext Kollaps“ im Fediverse. Und das ist genau das, was mich von Anfang an am meisten gestört hat. Seemann schreibt: „Auch das Konzept des Fediverse leidet darunter, dass die „Beziehungsweisen“ nicht ernst genommen werden, sondern so getan wird, als seien alle Bezugnahmen austauschbar. Aber immer wenn ich einen Post verfasse, oder ein Bild hoch lade, dann machen ich das unter ganz bestimmten materiellen Bedingungen und antizipiere dadurch konkrete Rezeptionshaltungen und die Tatsache, dass dieser Kontext in der Rezeption verloren geht, ist ein handfestes Problem. Beziehungsweisen sind eben semantische Konzepte des Sich-Beziehens, die deswegen von allerlei Erwartungen strukturiert sind. Evtl. basiert die ganze Idee der Interoperabilität auf dem Mißverständnis der Austauschbarkeit von Beziehungsweisen?“.
Schon in https://wolkenstich.wordpress.com/2023/04/22/micro-blogging-ohne-fediverse/ hatte ich vor eine Jahr am Beispiel Pixelfed ausführlich dargestellt, wo genau das Problem liegt. Da ist eine Fotoplattform, aber es ist völlig sinnfrei, da etwas hochzuladen. Denn es wird doch überwiegend über Mastodon betrachtet. Seemann schreibt dazu: „Brodericks Beobachtung, dass das Fediverse am Ende immer nur Twittervarianten produziere, liegt natürlich an der überwältigenden Dominanz von Mastodon und das liegt wiederum daran, dass sich die Entwicklung von ActivtityPub – bewusst oder unbewusst – eng an den Affordanzen des Microblogging orientierte und daran merkt man, wie recht Haraway hat: die Perspektive des kontextlosen Schwebens über den Dingen ist immer eine Illusion, auch bei der Entwicklung von Protokollen. Und evtl. verteidigen die Leute auf Mastodon die Spezifität ihrer Beziehungsweisen deswegen so erbittert, weil sich diese Spezifität auf der Basis eines generalisierenden Protokolls entwickelt hat, das jetzt tut, was Protokolle halt so tun: Semantiken anschlussfähig machen.“
Das ist alles sehr akademisch formuliert, aber jedenfalls ist das Fediverse an sich als Konzept broken. Und damit komme ich zurück zu Threads. Threads will sich irgendwann irgendwie mehr oder weniger dem Fediverse öffnen. Und das macht mir echt Sorgen. Aber auch Bluesky wird irgendwann mit ATPROTO-Diensten föderieren, die ActivityPub-Brücken anbieten. Wenn das dazu führt, dass wir bei Threads und bei Bluesky unsere Kontexte verlieren, dann ist, gelinde gesagt, alles im Arsch. Das Fediverse ist „Kontext Kollaps“ auf allen Ebenen. Es wird niemals funktionieren. Andererseits ist Threads auch als Meta-gesteuerter Kontext schon eine düstere Vision an sich. Ebenso wie mutmaßlich bald TikTok Notes (das vor ein paar Tagen in zunächst Kanada und Australien gestartet ist). Ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll. Mir wird wohl nur bleiben, weiterhin mit Mastodon, Bluesky und Threads unzufrieden zu sein, und mal dies und mal das davon mal mehr und mal weniger zu benutzen.
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